RichtlinienVerkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit
Richtlinien der Handwerkskammer Hamburg zur Verkürzung der Ausbildungsdauer, zur Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer, zur vorzeitigen Zulassung zur Abschluss- / Gesellenprüfung und zur Verlängerung der Ausbildungsdauer vom 15.12.2021
Die Handwerkskammer Hamburg erlässt die Richtlinien auf Grund der Empfehlung des Berufsbildungsausschusses vom 23.11.2021 und des Beschlusses der Vollversammlung vom 15.12.2021 als zuständige Stelle nach den §§ 41, 91 Absatz 1 Ziffer 4 und 106 Absatz 1 Ziffer 10 der Handwerksordnung (HwO) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 24. September 1998 (BGBl. I S. 3074), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 09. Juni 2021 (BGBI. I S. 1654).
A. Grundsätze
(1) Die Richtlinien der Handwerkskammer Hamburg konkretisieren die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften
über
- die Verkürzung der Ausbildungsdauer gemäß § 8 Absatz 1 BBiG / § 27c Absatz 1 HwO,
- die Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer gemäß § 7 Absatz 2 BBiG / § 27a Absatz 2 HwO,
- die vorzeitige Zulassung zur Abschluss- / Gesellenprüfung gemäß § 45 Absatz 1 BBiG in Verbindung mit § 21 Absatz 2 BBiG / § 37 Absatz 1 HwO in Verbindung mit § 21 Absatz 2 BBiG und
- die Verlängerung der Ausbildungsdauer gemäß § 8 Absatz 2 BBiG / § 27c Absatz 2 HwO.
(2) Die Richtlinien der Handwerkskammer Hamburg enthalten Maßstäbe für die Entscheidungen der
zuständigen Stellen (Handwerkskammer Hamburg bzw. die für die Prüfungsabnahme zuständigen
Körperschaften).
(3) Im Einzelfall können besondere Gesichtspunkte eine abweichende Beurteilung erfordern.
B. Verkürzung der Ausbildungsdauer
gemäß § 8 Absatz 1 BBiG / 27c Absatz 1 HwO
(2) Die Kürzung der Ausbildungsdauer soll möglichst bei Vertragsschluss, spätestens jedoch so rechtzeitig beantragt werden, dass noch mindestens ein Jahr Ausbildungsdauer verbleibt.
(3) Der Antrag muss gemeinsam von beiden Vertragsparteien (Ausbildende/r und Auszubildende/r) schriftlich bei der Handwerkskammer Hamburg gestellt werden. Bei Minderjährigen ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.
(4) Die Antragsteller müssen glaubhaft machen, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Dauer erreicht werden kann, zum Beispiel durch Vorlage von (Berufs-)Schul- und Prüfungszeugnissen, Leistungsbeurteilungen, Berufsausbildungsverträgen und auf die verkürzte Ausbildungsdauer abgestimmten betrieblichen Ausbildungsplänen.
- Mittlerer Schulabschluss (MSA) oder gleichwertiger Abschluss bis zu 6 Monate
- Fachhochschulreife, allgemeine Hochschulreife oder abgeschlossene Berufsausbildung bis zu 12 Monate
(2) Im Einzelfall kann die Ausbildungsdauer auch wegen eines Lebensalters von mehr als 21 Jahren um bis zu 12 Monate verkürzt werden.
(3) Fachlich einschlägige Lernleistungen hochschulischen Ursprungs im Umfang von mindestens 30 ECTS (European Credit Transfer and Accumulation System) können ebenfalls als Grund für die Verkürzung der Ausbildungsdauer um bis zu 6 Monate berücksichtigt werden.
(4) Darüber hinaus kann bei Nachweis einer einschlägigen beruflichen Grundbildung oder einschlägigen Berufstätigkeit oder Arbeitserfahrung im Berufsfeld des Ausbildungsberufs diese angemessen berücksichtigt werden.
C. Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer
gemäß § 7 Absatz 2 BBiG / § 27a Absatz 2 HwO
- dem erfolgreichen Besuch eines schulischen Bildungsganges wie beispielsweise das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ), das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), die einjährige Berufsfachschule, welche berufliche Grundbildung vermittelt, oder die zweijährige Berufsfachschule, die nach einem weiteren Jahr zum mittleren Schulabschluss führt;
- Maßnahmen des Übergangssystems wie berufsvorbereitenden Maßnahmen (BvB) und der Einstiegsqualifizierung (EQ);
- einer nicht zu Ende geführten Ausbildung im gleichen oder in einem anderen affinen Beruf;
- einer abgeschlossenen Ausbildung in einem anderen affinen Beruf (vgl. auch § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 BBiG / § 26 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 HwO, dies insbesondere bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen und Berufsfamilien);
- einem Wechsel des Ausbildungsbetriebes während der Ausbildung und
- dem erfolgreichen Absolvieren von Qualifizierungsbausteinen gemäß § 69 BBiG / § 42u HwO oder im Rahmen der Nachqualifizierung absolvierten Teilqualifikationen nach Maßgabe des Buchstaben C. 1 Absatz 1 Satz 2.
Wird ein Antrag auf Anrechnung beruflicher Bildung zu Beginn der Ausbildung abschlägig beschieden, kann trotzdem noch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer oder später eine vorzeitige Zulassung zur Abschluss- / Gesellenprüfung in Betracht kommen, wenn die Ausbildungsleistungen dies rechtfertigen.
D. Vorzeitige Zulassung zur Abschluss- / Gesellenprüfung
gemäß § 45 Absatz 1 BBiG / § 37 Absatz 1 HwO
(2) Der Antrag ist schriftlich bei der für die Prüfungsdurchführung zuständigen Körperschaft zu stellen; er soll nicht später als sechs Monate vor dem beabsichtigten Prüfungstermin gestellt werden.
(3) Dem Antrag sind die nach der geltenden Prüfungsordnung erforderlichen Anmeldeunterlagen beizufügen.
(2) Überdurchschnittliche Leistungen liegen in der Regel vor, wenn das letzte Zeugnis der Berufsschule in den prüfungsrelevanten Fächern oder Lernfeldern einen Notendurchschnitt besser als 2,5 enthält und die praktischen Ausbildungsleistungen als überdurchschnittlich bzw. besser als 2,5 bewertet werden und das Ergebnis der Zwischenprüfung bzw. des Teiles I der Gesellenprüfung einen Notendurchschnitt von besser als 2,5 vorweist.
(3) Neben dem Zeugnis der Berufsschule sind für den Nachweis das Leistungszeugnis oder eine entsprechende Bescheinigung der / des Ausbildenden (Betrieb) und die Vorlage der Zwischenprüfungsbescheinigung oder der Bescheinigung des Ergebnisses des ersten Teils der Abschluss- / Gesellenprüfung erforderlich. Der von der Ausbilderin / dem Ausbilder und von der Auszubildenden / dem Auszubildenden unterzeichnete Ausbildungsnachweis nach § 13 Satz 2 Nummer 7 BBiG ist vorzulegen.
(2) Bei Abschlussprüfungen trifft die für die Prüfungsdurchführung zuständige Körperschaft die Zulassungsentscheidung. Hält sie die Zulassungsvoraussetzungen für nicht gegeben, entscheidet der Prüfungsausschuss (§ 46 Absatz 1 BBiG).
(3) Die vorgezogene Prüfung soll nicht mehr als 6 Monate vor dem ursprünglichen Prüfungstermin stattfinden. Darüber hinaus gehende Anträge sollen von den zuständigen Stellen als Antrag auf Verkürzung der Ausbildungsdauer nach § 8 Absatz 1 BBiG / § 27c Absatz 1 HwO behandelt werden (siehe unter Abschnitt B.).
E. Mindestdauer der Ausbildung
Die Ausbildungsvertragsdauer soll in der Regel folgende Mindestzeiten, insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Verkürzungsgründe beziehungsweise bei vorzeitiger Zulassung zur Abschluss- / Gesellenprüfung, nicht unterschreiten:
Regelausbildungsdauer | Mindestdauer der Ausbildung |
3 ½ Jahre | 24 Monate |
3 Jahre | 18 Monate |
2 Jahre | 12 Monate |
F. Verlängerung der Ausbildungsdauer
gemäß § 8 Absatz 2 BBiG und § 27c Absatz 2 HwO
(2) Der Antrag soll rechtzeitig vor Ablauf des Berufsausbildungsverhältnisses gestellt werden.
(3) Vor der Entscheidung über den Antrag ist die / der Ausbildende (Betrieb) zu hören (§ 8 Absatz 2 BBiG / § 27c Absatz 2 HwO). Die Berufsschule kann gehört werden.
(4) Die / der Auszubildende muss glaubhaft machen, dass die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Eine Verlängerung nach § 8 Absatz 2 BBiG / § 27c Absatz 2 HwO soll nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe gewährt werden.
- erkennbare schwere Mängel in der Ausbildung,
- Nichterreichen des Leistungszieles der Berufsschulklasse,
- längere, von der / dem Auszubildenden nicht zu vertretende Ausfallzeiten (zum Beispiel infolge von Krankheit),
- körperliche, geistige oder seelische Behinderung der / des Auszubildenden, die dazu führt, dass das Ausbildungsziel nicht in der vereinbarten Ausbildungszeit erreicht werden kann,
- Betreuung des eigenen Kindes oder von pflegebedürftigen Angehörigen.